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Generalversammlung 1936

An der Generalversammlung vom 22. November 1936 verlas Arthur Schlienger einen Bericht, in der er sich vieles von der Seele redete, weshalb seine Gedanken über das Leben im Chor angeführt werden sollen.

 

„Was einmal das Zuspät in die Kirche kommen anbelangt, so sollte ich über diesen Punkt lieber nichts sagen, denn ich selber falle auch oft in diese Sünde und bin trotz wiederholtem guten Vorsatz ab und zu wieder rückfällig geworden. Sei es, dass der berüchtigte Kragenknopf oder ein sonstiger wichtiger Bestandteil meiner sonntäglichen Ausrüstung nicht gleich zur Hand, wenn es höchste Zeit ist, oder dass man, wenn man endlich angeschirrt ist, noch das bekannte Örtchen gehen muss, wohin der Kaiser zu Fuss geht und schon tönt von dem Glockenstrang hellschlagend des Geläutes Klang, das alle Sünder hochbegnadet, zur hl. Messe festlich ladet und atemlos in Schweiss gebadet, gelangt man endlich an.

In der Kirche angekommen, begrüssten wir uns alle handgreiflich (es soll einmal eine Zeit gegeben haben, wo die Gläubigen sich mit dem Gruss "Gelobt sei Jesus Christus" begrüsst haben, doch wer würde das heute noch fertig bringen?). Dann wird gesungen und singen tun wir ja gerne, das ist ja viel kurzweiliger als immer zwischen den Bänken stehen oder knien, wie es die übrigen Gläubigen tun müssen. Ja, wenn manche wüssten, wie bequem wir es auf der Empore haben, unser Verein zählte gewiss mehr Mitglieder. Wenn wir nichts zu singen haben, können wir ruhig laufen und gemütlich schwatzen miteinander. Was der Priester dort vorne macht, das geht uns nicht viel an, denn andächtig zu sein, das brauchen wir nicht, das gilt nur für die andern. Wir haben nur aufzupassen auf den Herrn Direktor, wenn der das Zeichen gibt mit der Hand und anfängt zu orgeln, dirigieren und Tenor zu singen, dann müssen wir auch mitmachen. Auch die liturgische Haltung  brauchen wir nicht zu beachten. Zum Singen müssen wir sowieso immer stehen und bei der Epistel und beim Offertorium hocken wir zleid nicht ab, das machen wir dann lieber bei der Präfation um beim Pater noster. Zu knien brauchen wir überhaupt nicht, höchstens bei der Wandlung, das schont unsere Bügelfalten ungemein. Nur einige wenige verfolgen den jeweiligen Messtext im Schott, es ist dies ein Zeichen, dass das sehr langweilig sein muss. Ja wir haben es sehr bequem bei uns droben. Man kann auch ganz gut einmal eine kleine Briefmarkensammlung oder etwas ähnliches zur Ansicht mitbringen, das stört den Priester am Altar nicht im geringsten.

Bei den Proben, da ist es schon etwas anders, da müssen wir oft zünftig schuften. Der Dirigent ist aber auch manchmal ein richtiger Plaggeist. Wie oft hätte man gerne noch einen Strumpf oder einen Pullover fertig gestrickt, aber es war einfach nicht möglich, weil man alle Augenblicke gestört wurde“.